Institutionalisierter Systembau mit dem offenen Schulbausystem CROCS
Text: Lucia Gratz
Gemeinde
Neuenegg BE Ort Neuenegg Adresse Stuberweg 6 Bauzeit 1973–1975 Bauherrschaft Gemeinde Neuenegg Kirchgemeinde Neuenegg Beteiligte Personen Kurt Aellen, Architekt Ueli Berger, Künstler und Landschaftsgestalter Franz Biffiger, Architekt Urs Hettich, Architekt Daniel Reist, Architekt Bernhard Suter, Architekt Hans Peter Stocker, Ingenieur Beteiligte Unternehmen Arbeitsgruppe für rationelles Bauen (ARB), Architekturbüro Zwahlen et Mayr SA, Stahlbau Entwicklung des Systems Atelier des architectes associés (AAA) Jean-Pierre Cahen, Architekt Pierre Bussat, Architekt Centre de rationalisation et d’organisation des constructions scolaires (CROCS) Jacques Dumas, Architekt Jean-Pierre Gonthier, Ingenieur Jean-Claude Piguet, Ingenieur Paul Vallotton, Architekt Michel-Robert Weber, Architekt Jean-Marie Yokoyama, Ingenieur |
Ende der 1960er Jahre stieg auch in der Gemeinde Neuenegg die Zahl der Schulkinder mit einer längerfristigen Wachstumsprognose, sodass sich Gemeinde und Kirchgemeinde auf den Bau eines gemeinsamen Schul- und Kirchgemeindezentrums am Standort Neuenegg-Dorf neben dem Schulhaus und der Turnhalle aus den 1940er Jahren verständigten. Das Architekturbüro Atelier 5 organisierte dafür 1971 einen Projektwettbewerb, den im Jahr darauf die jungen Berner Architekten der Arbeitsgruppe für rationelles Bauen (ARB) mit einem streng quadratischen Bau im System CROCS für sich entschieden.
Das EG des neuen Schulhauses besteht etwa zur Hälfte aus einer offenen Halle, die als gedeckter Pausen- und Spielbereich sowie als Velounterstand genutzt wird. Von hier gelangt man ins Innere. Die Räume im OG sind um einen Lichthof organisiert. Die breiten Flure vor den zehn Klassenzimmern dienen als offene Lernlandschaften und Garderoben zugleich. Ein zweigeschossiger Saal verbindet EG und OG und kann mit faltbaren Leichtbauwänden zu den Flurbereichen hin geöffnet und damit räumlich bis zum Innenhof erweitert werden. Die Aula ist so angeordnet, dass sie von der Schule wie auch der Kirchgemeinde genutzt werden kann. Mit einem Abstand von 5,4 m oder 7,8 m gliedern Rundstützen die Räume und machen zusammen mit der Untersicht der Fachwerkträger die geschraubte Konstruktion erfahrbar. Installationen verlaufen in den Trägerzwischenräumen; die Gipsständerwände wurden aus Gründen der Flexibilität direkt auf dem durchlaufenden Industrieparkett befestigt. Mit seinem «Pirelli»-Boden, dem dunkelbraunen Anstrich der Stahlkonstruktion und den mit Holzlamellen verkleideten Deckenfeldern folgt das Innere der Schule einer zeittypische Materialsprache. Die künstliche Topografie und die organisch geschwungenen Wege der Aussenbereiche kontrastieren als gestalterischer Beitrag des Künstlers Ueli Berger die «Anonymität des gegliederten Bausystems». Bestandteil von Bergers «performativem Kunst-am-Bau-Verständnis» sind auch Wolkenlampen, Pop-Art-Wandmalereien und die in den Klassenzimmern demontier- und individuell gestaltbaren Leichtbauplatten im verglasten Brüstungsbereich. Mit einer an der Aussenfassade sichtbaren, umlaufenden Bemalung schufen Schülerinnen und Schüler in immer wieder neuen Aktionen ein «sprechendes Schulhaus». Seit seiner Errichtung wurde das Gebäude nur wenig verändert. Nach 1987 wurden das Dach nachgedämmt und die Flachdachabdichtung erneuert. Wegen bauklimatischer Defizite scheint das Verhältnis zum 45-jährigen Schulhaus in der Gemeinde zwiegespalten. 2020 wurde ein Projektwettbewerb zur Erneuerung der Schulanlage durchgeführt. Da das bestehende Bauwerk gut am Standort eingepasst ist und auf einem kostspielig gepfählten Fundament steht, wurde von einem Neubau abgesehen. Zumindest die Stahlkonstruktion des Schul- und Kirchgemeindezentrum wird so erhalten bleiben. |
Das ca. 250 Seiten umfassende Buch «System & Serie. Systembau in der Schweiz – Geschichte und Erhaltung» enthält neben wissenschaftlichen Essays zur Geschichte und zur Bedeutung des Systembaus auch viele ausführliche Porträts von Schweizer Bausystemen und in der Schweiz errichteten Systembauten. Dazu kommen zwei interdisziplinäre Gespräche zu den Aspekten Bauphysik und Statik sowie ein umfassendes Werkverzeichnis, ein Glossar und ein Personenverzeichnis zum Systembau in der Schweiz.
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